Freunde
Liebe Freunde
Vor ein paar Tagen hat ein Kursteilnehmer mich gefragt: "Was ich über den Tod denke?" Plötzlich denke ich an mich selbst, mein Leben geht ja langsam zu Ende. Diese Brücke muss ich bald überqueren, also was packe ich mit ein, bin ich bereit, diesen Lebensabschnitt zu überqueren?
In dem Anattalakkhaṇa Sutra hat Buddha gelehrt, dass ein Mensch aus folgenden 5 Daseins-Gruppen entsteht: Körperlichkeitsgruppe – Gefühlsgruppe – Wahrnehmungsgruppe – Geistesformationsgruppe und Bewusstseinsgruppe. Jede Gruppe wurde von vielen Ursachen und Bedingungen gebildet und sie sind stark voneinander abhängig. Da sich die Ursachen ständig ändern, ändern sich auch die 5 Daseins-Gruppen. Sie setzen sich zunächst zusammen, dann gehen sie eines Tages auseinander und sie existieren nicht mehr. Wir sind nicht diese Daseins-Gruppen. Wir sind nicht in dieser Gruppe enthalten. Aber wer sind wir? Woher kommen wir und wohin gehen wir?
In einem Sutra wurde folgende Geschichte niedergeschrieben:
Zu Lebzeiten Buddhas, wenn ein Mönch oder ein Laie, der dem Sangha nahe stand, ernsthaft krank war, kurz vor dem Tod, wünschte er sich, einen großen Schüler des Buddhas zu sehen. Im Fall des Kranken Anāthapindika ist der Bodhisattwa Sāriputta oder der Anandā zu ihm gekommen und erzählte ihm wiederholt das Sutra Anattalakkhaṇa. Danach schlief der Kranke friedlich ein und er wurde in einem Gottesreich wiedergeboren.
In diesem Artikel habe ich nicht vor, das Anattalakkhaṇa Sutra zu erläutern. Ich will nur etwas über unser Leben reden.
Du bist krank. Wer von uns ist denn nicht krank? Wann immer es einen Körper gibt, schmerzt es hier und da: Muskel-, Gelenke und Sehnen-, Knochen, Bänderriss-, Herz-, Leber-, Magenbeschwerden... Jede kleine Unstimmigkeit des Körpers ruft eine Krankheit hervor. Dieser physische Körper gleicht einer riesigen Fabrik mit unzähligen kleinen Maschinen, die Tag und Nacht ununterbrochen laufen. Wenn eine dieser Maschine ausfällt, kann der gesamte Betrieb der Fabrik beeinträchtigt werden. Also, wenn wir bis heute noch am Leben sind, ist es schon ein Wunder. Wir sollten daher glücklich und dankbar für diesen magischen Zusammenhang der fünf Aggregate sein.
Ich leide nun an Altersschwäche, da ich alt bin. Ich trete ja in die dritte Phase eines Menschenlebens ein: „Geburt-Alter-Krankheit und Tod“. Der Tod ist das Ende eines alten Lebens und gleichzeitig der Beginn eines neuen Lebens. Aber was endet hier und was geht also in das nächste Leben über?
Die Antwort ist: Der physische Körper wird beendet und aufgelöst, der Geist wird zu einem neuen Leben übergehen. Das ist der weltliche Geist. Das ist das Bewusstsein, es zeichnet nicht nur alle unserer Gedanken, Worte und Taten in dem vergangenen Leben auf sondern es speichert auch die Gedanken, Worte und Taten in vielen vergangenen Leben im Unterbewusstsein. Wir nennen sie Triebe oder Karma. Jedoch ist der Geist oder das Bewusstsein vor dem Tod anders als der Geist oder das Bewusstsein nach der Wiedergeburt. Sie sind nicht eins. Der eine Geist muss beendet sein, damit der andere beginnen kann. Der Geist oder das Bewusstsein vor dem Tod ist die Ursache und der Geist oder das Bewusstsein bei der Wiedergeburt ist die Wirkung. Ursache und Wirkung sind weder identisch noch unterschiedlich. Die Beziehung zwischen ihnen wird als Ursachen- und Wirkungsprinzip bezeichnet. Daher wird das nächste Leben weder anders noch identisch mit dem vorherigen Leben sein. Buddha lehrte, dass es kein Selbst während des Lebens, auch kein Selbst bei der Wiedergeburt gibt. Das heißt, es gibt nichts Beständiges, Unvergängliches oder Festes in einem menschlichen Leben, das „Selbst“ oder „Seele“ genannt werden kann.
Der Tod ist nur ein Austausch eines physischen Körpers. Kein Wechsel des Geistes oder des Bewusstseins. Der Körper beinhaltet: Erde, Wasser, Wind und Feuer. Diese Erde, Wasser, Wind und Feuer haben kein Bewusstsein. Sie befinden sich überall im Universum, sie sind weder schön noch hässlich, weder neu noch alt, weder gesund noch krank, sie freuen sich nicht und sie beschweren sich auch nicht. Daher gehören das Bewusstsein, das Gefühl, die Wahrnehmung dem Körper nicht. Sie gehören eher dem Geist, der die Augen steuert und kontrolliert, um zu sehen und gesehen zu werden, der Geist erkennt die Freude und steuert das Lächeln. Der Geist kann hören und das Gemüt eines Menschen einstellen.
Das heißt, der Geist kontrolliert den Körper und er wird gleichzeitig von dem Körper eingeschränkt. Zum Beispiel: der Geist will vorwärts gehen aber der Körper ist so alt, dass er sich nicht bewegen kann. So muss der Geist auch stehen bleiben. Der Geist will in einem Körper weiterleben aber die Bestandteile von „Erde, Wasser, Wind und Feuer“ in diesem Körper arbeiten nicht mehr harmonisch miteinander, sie sind ungeordnet, so dass der Geist diesen Körper verlassen muss um einen neuen passenden Körper zu finden.
Obwohl der Geist den Körper steuert, ist er auch sehr abhängig von dem Körper. Wenn sich der Geist vom Körper trennt, dann ist er frei, er kann gehen, wohin er will. Er muss keine Worte, keine Gefühle oder keine Handlungen mit der Menschenwelt austauschen. Er kann Kontakt mit der unsichtbaren Welt aufnehmen und kann so in sie eingehen. In einer Welt, die für die menschlichen Sinne unsichtbar ist, gibt es vier Bereiche und je nach Reinheits- oder Verschmutzungsgrad des Geistes wird er entweder in einen reinen und edlen Himmel oder in das Reich der Asura, der hungrigen, bösen Geister oder in die Hölle, wo Hunger und Durst herrschen, eingehen.
Wir haben bereits das Buddha-Dharma kennengelernt und haben es lange Zeit praktiziert. Da wir das Naturgesetz kennen, wissen wir, dass alles vergänglich ist, sich ständig ändert, eingeht und wiedergeboren wird. Wir haften weniger an der Außenwelt an, weil wir erkennen, dass jedes nur entstehen kann, wenn seine erforderlichen Bedingungen erfüllt sind und es wird verschwinden, wenn diese Bedingungen nicht mehr vorhanden sind. (bedingtes Entstehen). Dieses Naturgesetz lässt sich nicht ändern, auch wenn wir jammern, nachtrauern, weinen, oder darunter leiden.
Wie sollen wir nun leben, um den Dharmas zu entsprechen?
Von diesem erwachten Moment an, leben wir friedlich und harmonisch mit der Familie und mit der Gesellschaft. Ein Leben mit Mitgefühl, Liebe und Respekt für alle Lebewesen. Wir leben mit der Erkenntnis des Naturgesetzes: Vergänglichkeit, Nicht-Selbst, karmische Kausalität…Wenn wir das erkennen, werden wir uns also an nichts von der Außenwelt festklammern. Was wir bisher aus fehlenden Erkenntnissen eingefangen haben, lassen wir langsam los, je mehr wir diese Last loslassen, desto entspannter wird unser Geist sein und unser Körper wird sich dadurch auch entspannen. Alles, was dieser Welt gehört, geben wir ihr zurück: Material, Ruhm, Macht, Lebensgenüsse, da wir eines Tages mit leeren Händen gehen müssen, können wir sie nicht mitnehmen.
Wenn wir beim Weggang aber bereuen oder etwas nachtrauern, dann werden wir erneut zurück in dieser Welt wiedergeboren und wir werden erneut ein nutzloses Leben wie bisher wiederholen. Daher hat der Vasubandhus damals gesagt: „Der Weg zurück zur Buddhaschaft ist unendlich lang, drei Kalpa…
(Kalpa (Sanskrit: कल्प, kalpa; Weltperiode, Äon, Pali: kappa) bezeichnet einen sehr langen Zeitabschnitt, der die längste Zeiteinheit in der zyklischen Kosmologie von Hinduismus und Buddhismus darstellt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kalpa_(Mythologie)
Wir sind nicht so, wir haben viel gelernt, wir müssen in jedem Leben einen Schritt nach vorne gehen, oder?
Wir wissen, dass der Tod nur ein Austausch dieses physischen Körpers ist, ähnlich wie der Austausch eines Hauses oder eines Autos, weil das Auto so alt oder das Haus so verrottet ist, kaufen wir ein Neues. Das nächste Leben wird besser als dieses Leben sein, weil wir in diesem Leben einige unserer alten Schulden abbezahlt haben und gleichzeitig den Buddhadharma kennengelernt und angewendet haben. Wir akzeptieren die Missstände, wir können mit Kritik und Missgünsten umgehen, so dass wir in Harmonie mit der Familie und mit der Außenwelt leben können. Wir halten unseren Geist ruhig und gelassen. Wenn der Geist ausgeglichen ist, ist der Körper auch ausgeglichen.
Bis heute können wir noch leben, das heißt, wir haben bereits unzählige Herausforderungen, Stürme, Missgünste überwunden. Wir sind immer noch am Leben, wenn wir es klar wahrnehmen, werden wir in uns Frieden in jedem Atemzug, jedem Lächeln fühlen.
Die Umwelt ist doch so schön. Das namenlose Blümchen ist frisch erblüht, der Sperling fliegt eben vorbei, die grünen Zweige und die grünen Blätter wiegen sich in der Luft, der Morgentau ist noch auf den Blättern liegen geblieben, das Sonnenlicht schimmert früh am Morgens, still aber kraftvoll. Worauf warten wir denn noch, auf ein noch besseres, schöneres, anspruchsvolleres Leben?
Sunyata Buddhistisches Zentrum, den 27.03.2022
TN
Link zum vietnamesischen Artikel:
https://www.tanhkhong.org/p105a3139/triet-nhu-tieng-hat-giua-troi-bai-11-goi-ban-than-men