Sunyata Meditation Sangha Stuttgart


Lehre-DE-34

Die letzte Meditationsübung

Es ist nur ein vorläufiger Titel für diesen Artikel. Ihr könntet ihn frei benennen wie ihr es wollt. Etwa wie Meditation im Leben, der rechte Gedanke oder bescheidenes Leben, die Blume des Geistes oder der Meditationsweg oder Nicht Ich-Selbst, außerhalb von Sprache usw… Alles ist möglich.


Heute Morgen, als ich noch nicht richtig wach war, noch nicht im Kopf geredet habe „ Sesam, öffne dich“, hatte ich plötzlich ein paar Gedanken, die ich sofort niederschreiben und nicht auf morgen verschieben wollte. Ich weiß ja nicht, ob ich morgen noch aufwachen kann.


Letzte Woche war es so heiß. Tagsüber war es 100°F. Abends war es immer noch so warm. Ich habe das Klimagerät aber nur auf Minimum aufgedreht, da die Körpertemperatur während des Schlafs ja sinken wird. Am nächsten Morgen wachte ich ganz verschwitzt auf. Das Nachthemd war nass. Mir war schwindelig, als ich versuchte, mich aufzusetzen. Ich musste mich wieder hinlegen, verpasste die morgendliche Meditation. Erst gegen Mittag ging es mir etwas besser. Am Tag darauf hatte ich wieder das Schwindelgefühl. Ich musste wieder einen Tag pausieren. Ich habe viel Wasser getrunken und ging viel langsamer, vorsichtiger die Treppe runter. So erinnerte ich mich an die Lehre vom Buddha an Amanda:

 

„Ich bin jetzt hinfällig, Ananda. Ich habe den Lauf vollendet und das Alter erreicht. Achtzig Jahre bin ich nun. Wie ein alter Wagen nur künstlich aufrechterhalten wurde, so wird, denke ich, der Körper des Vollendeten nur künstlich aufrechterhalten. Ananda, nur wenn ich nicht an den weltlichen Phänomenen anhafte, die Empfindung des Körpers ignoriere, den Zustand des wortlosen Gewahrseins erkenne und ich darin verweile, dann fühle ich mich befreit.“


Als Buddha noch jung war, war er sehr stark und kräftig. Später hat er durch Meditation sogar die Weisheit und die außergewöhnlichen Geisteskräfte dazu gewonnen, trotzdem spürte er, dass seine Glieder und sein Körper nur noch durch die Muskelstränge zusammen gehalten wurden. Daher, jedes Mal wenn ich mich schlapp fühlte, dachte ich an Buddha und seine Schüler. Obwohl sie alle außergewöhnliche Geisteskräfte beherrschten, gingen sie nur zu Fuß, ohne Kopfbedeckung, unter der heißen Sonne im Sommer und der Kälte im Winter Almosen sammeln. Sie aßen, tranken und schliefen unter dem freien Himmel. Warum alterten ihre physischen Körper nicht so schnell ?


Liebe Freunde, die Gesundheit ist sehr wertvoll. Man kann sie nicht mehr auf den vorherigen Stand zurückholen, wenn man sie mal verliert. Daher, was man sagen will, soll gesagt werden und zwar mit netten, nützlichen Worten. Wer zu uns kommen will, heißen wir herzlich willkommen. Wer uns verlassen will, den lassen wir gehen. Nicht nachtrauern. Wir sollen jeden Tag so leben, dass wir hinterher nicht mehr bedauern müssen.


Nun kommt die Frage, wie sollen wir denn leben? Das ist wieder eine subjektive Wahrnehmung jedes einzelnen von uns. Es ist ja normal, dass jeder das Objekt anders wahrnimmt. Jeder ist ja selbst verantwortlich für sein Leben. Erwarte bitte nicht, etwas Neues in diesem Kapitel zu entdecken. Es gibt nichts Neues. Alles wurde bereits in den Sutras beschrieben. Es gibt nicht etwas Besseres oder Wertvolleres als Buddhas Lehre, oder?


Meistens am frühen Morgen, wenn die Luft noch frisch und die Umgebung noch ruhig ist; direkt nach einem guten Schlaf, wenn der Geist noch leer und rein ist, meditieren wir. Wir legen die Matte leise vor Buddhas Statue, die Sitzkissen auf die Matte, wir setzen uns dann langsam hin, gerade und stabil auf die Kissen, die Knie berühren die Matte, Rücken gerade, Hals- und Rückenwirbelsäule bilden eine gerade Linie, Arme locker am Körper fallen lassen, die Hände liegen auf einander, die Daumen berühren sich leicht. Das Kinn heben wir leicht nach oben, so dass man besser atmen kann. Augen richten sich nach unten, Gesichtsmuskel entspannen (bitte nicht versuchen zu lächeln), die Schulter lockern.


Diese Vorbereitung dauert ungefähr 5 Minuten. Haben wir immer noch nicht meditiert? Einige würden antworten: nein, noch nicht. Wir haben uns nur für die Sitzmeditation vorbereitet. Es stimmt auch, da wir noch kein Objekt haben. Aber wie haben wir unsere Sitzmeditation denn vorbereitet, haben wir dabei etwas im Kopf geredet? Nein, weil wir diese Prozedur auswendig kennen. Wir bereiten sie in der Stille vor und der Reihe nach. Wir müssen nicht mehr überlegen, wir sie machen. Das heißt, wir bereiten sie mit einer kognitiven Erkenntnis vor. Unser Geist ist gedankenlos. Ist es doch nicht Satipatthana? In diesen fünf Minuten war unser Geist vollkommen rein. Er hatte in diesem Zeitraum weder böse noch unheilsame Gedanken.


In diesem Zustand: wortloses Wissen, machen wir die Augen leicht zu, das Sehen ist nach innen gerichtet, wir erkennen, dass unser Geist leer und geräumig ist. Wir beobachten unseren Geist und unseren Körper in diesem wortlosen Zustand. Wenn wir Speichel-Wasser im Mund haben, schlucken wir es einfach runter. Der Körper wird warm, die Augenlider fallen automatisch zu. Wenn der Kopf schwerer wird, heben wir das Kinn etwas hoch. Den Rücken gerade korrigieren, wenn er sich zu entspannt nach vorne beugt. Wenn die Atmung schwer und kurz wird, machen wir den Brustkorb etwas breiter auf und atmen wir etwas tiefer. Der Geist bleibt weiterhin ruhig. Wir bleiben wach, fühlen uns wohler. Eventuell hat man das Gefühl, dass der Körper oder ein Teil des Körpers nicht mehr fühlbar sei.

 

Nun was glaubt ihr, existiert etwas im Geist in diesem Moment? Also, er hatte keine bösen oder unheilsamen Gedanken in diesem Moment, nicht wahr? Das heißt, es gab keine Begierde, keinen Neid, keinen Hass, keine Verblendung. Der Geist war leer. Er war völlig rein.


Eine Preisfrage: Was war das Meditationsobjekt?

Antwort: - Das wortloses Wissen


Zweite Frage: Was hatte der Geist in dem Zustand?

Antwort: Am Anfang hatte man noch die Empfindung.


Man muss noch die Empfindung haben. Nur so kann das Biofeedback entstehen und der Parasympathikus wird aktiviert. Der Geist wird ausgeglichen, der Körper fühlt sich leichter, die Atmung wird leichter und langsamer, das Herz schlägt auch langsamer…Da das wortlose Wissen vorhanden ist, nimmt man das Biofeedback des Körpers wortlos wahr.


Da unser Meditationsobjekt ein wortloses Wissen ist, verfolgen wir diese Reaktion des Körpers auch gedankenlos. Wenn die Atmung fast nicht mehr spürbar ist, pausiert das Herz. Der Körper wird leichter. Eventuell hat man das Gefühl, dass der Körper oder ein Teil des Körpers nicht mehr existiert. Die Empfindung verschwindet. Räumlichkeit und Zeitlichkeit existieren auch nicht mehr….nichts existiert, sogar das wortlose Wissen nicht. Es ist einfach so. Klar, hell, unendlich. Nichts existiert.


Nun versuchen wir, den Geist in diesem Zustand zu analysieren. Existiert das Ich-Selbst in diesem Moment? Die Körperlichkeitsgruppe (rūpa), Gefühlsgruppe (vedanā), Wahrnehmungsgruppe (samjñā /saññā), Geistesinformationsgruppe (samskāra, p. samkara) und Bewusstseinsgruppe (vijñāna, p. viññāna) sind auch nicht mehr vorhanden. Die Essenz der Skandha ist leer. Einfach oder? Ohne Wünsche, ohne Verlangen, ohne Anhaftung… gibt es kein Skandha.


Hier möchte ich etwas tiefer in die Übungs-Schritten gehen. Wir machen also wie folgt:

  • Zuerst erkennen wir klar, dass wir durch „nicht Sprechen“ weniger Leid haben. Daher versuchen wir, diesen Zustand im Kopf beizubehalten.
  • Wir haben eine richtige Sitzhaltung eingenommen, das heißt, wir haben eine Routine über diese Prozedur. Wir machen sie so, ohne zu überlegen, wie. Das bedeutet, wir haben eine kognitive Erkenntnis über die Sitzmeditation. Wir können sie gedankenlos vorbereiten.
  • Unser Meditationsobjekt ist das wortlose Wissen. Wir nennen es einfach so, damit wir ein Vertrauen und ein Ziel haben, dass wir es schaffen können. Wortlos ist eigentlich überflüssig. Da, wenn wir genau wissen, was wir machen, dann machen wir es schon automatisch gedankenlos. Wenn es so ist, ist dann die kognitive Erkenntnis hier auch überflüssig. Natürlich hat die Kenntnis verschiedene Stufen. Von der Grundkenntnis bis zur tiefen Kenntnis. Eine kognitive Erkenntnis ist ja eine tiefe Kenntnis. Aber es genügt, wenn wir sie allgemein Kenntnis nennen. In den Sutras wurde sie als Achtsamkeit oder Rechte Achtsamkeit beschrieben. Wenn man sich immer bewusst ist, ein Objekt klar und ohne Bewertung zu betrachten, bezeichnen die Sutras diesen Zustand als ein wortloses Bewusstsein oder ein wortloses Gewahrsein.
  • Das Blickfeld senkt sich direkt zum Boden. Es existiert kein Gedanke mehr im Kopf.
  • Wenn der Geist ruhig und stabil genug ist, entspannen wir etwas, wir erweitern langsam unser Blickfeld. Der Blick richtet sich gerade nach vorn. Wir nehmen das Biofeedback in unserem Körper wahr. Wenn wir Speichel-Wasser im Mund haben, schlucken wir es leise runter. Das Herz schlägt leichter und langsamer. Die Atmung wird leichter und kürzer. Wenn der Brustkorb oder der Kopf schwerer wird, heben wir das Kinn etwas hoch, Rücken gerade halten, wir ziehen einen langen, tiefen Atemzug ein, dann entspannen wir uns und wir atmen normal weiter.
  • Nun ist der Geist total leer. Das wortlose Gewahrsein dauert ohne Unterbrechung an. Der ganze Körper wird leichter. Wir spüren die Atmung nicht mehr. Wir spüren nicht mehr, dass unsere Knie den Boden berühren. Es scheint, als ob unser Körper sich vom Boden abhebt und sich in der Luft auslöst. Wir bleiben so lange in diesem Zustand, bis wir ihn bewusst nicht mehr haben wollen, dann beginnen wir die Hände und die Schulter zu bewegen. Wir beenden die Meditation. Wir reiben die Hände zusammen, bis die warm werden. Dann legen wir sie in die Augenhöhle, ziehen die Augen etwas auseinander. Wir wiederholen diesen Vorgang ein paar Mal. Dann massieren  wir das Gesicht, wir machen die Augen langsam auf usw…
  • Das ist die letzte „Meditationsübung“. Sie hat letztlich kein Meditationsobjekt mehr. In den Sutras wurde dieser Zustand als „Dharma mit ohne Dharma“ beschrieben. Obwohl wir am Anfang noch das Objekt „wortloses Wissen“ haben. Dieses Wissen ist aber sehr abstrakt. Wir selbst haben es so benannt. Am Ende brauchen wir es nicht mehr. Wir und dieses Wissen sind vereint. Wir rufen es nur hervor, wenn die Gefahr besteht, dass wir in die Mattheit geraten, um wach zu bleiben. Es ist eine Art von passiver Reflexion. Wir benutzen in diesem Zustand weder Sinnesorgan noch Meditationsobjekt. Keine Anstrengung, keine Wünsche, keine Form, keine Anhaftung, keine Klammerung, keinen Geist, kein Gedanke. Alles ist leer, illusorisch.
  • Warum reden wir hier von Illusion? Weil, nach Ende der Meditation merken wir, dass  die Körperlichkeit, die Empfindung, die Wahrnehmung, die Geistesinformation und das Bewusstsein auch illusorisch sind. Wir haben sie so benannt und sie existieren nur, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf sie richten. Ebenso sind die Triebe, Gewohnheiten und Sehnsüchte. Klammen wir nicht mehr an sie, existieren sie nicht mehr. Leiden, Kummer, Karma werden auch verschwinden, wenn der Geist rein wird. Wenn der Geist leer ist, ist die Welt auch leer. Der Geist ist in Nirwana, die Welt ist ein Nirwana.

      

Liebe Freunde, das ist der Sinn der Übung. Meditationsobjekte und Meditationstechniken unterliegen dieser Rahmenbedingung. Am Ende werden wir sie auch loslassen.

 

Wenn es so ist, warum fangen wir denn nicht gleich an, mit der einfachen Technik zu üben, die die Sutras rechte Achtsamkeit oder Weisheit oder Soheit nennen?

 

Wir haben oben einen wichtigsten Übungsschritt erwähnt, um unseren Geist spirituell zu transformieren. Es reicht aber nicht, wenn wir ihn nur bei der Sitzmeditation üben.

 

Wie sollen wir diesen aber täglich üben? Bitte nicht gleich antworten: „erst wenn ich Rentner bin, werde ich ins Kloster gehen“. Es gibt genug Leute, die kurz vor der Rente sterben oder schwer erkranken. Liebe Freunde, es ist zu spät, die Vergänglichkeit zu erkennen, wenn man schwer erkrankt ist. Einige meinen sogar, es ist nie zu spät, einen spirituellen Geist zu transformieren. Eventuell haben sie recht. Nur ob sie wissen, wie viele Wiedergeburten sie dadurch bereits hinter sich gelassen und noch vor sich haben?

 

Das bedeutet, dass wir den ganzen Tag meditieren müssen. Es ist zu vage, das zu sagen.

Wie in den „Vier Edle Wahrheiten“ beschrieben wurde: machen nur das, was gerade gemacht wird, wie das Gemüt ist, so ist der Geist, wie die Wahrnehmung ist, so ist der Geist … Das heißt, wir müssen unseren Geist regelmäßig beobachten. Wir erkennen sofort, in welchem Zustand er sich befindet. Wir wissen ganz genau, was wir gerade machen. Das Objekt ist immer die Wahrnehmung. Bei der Meditation ist es das wortlose Wissen. Im alltäglichen Leben ist es die neutrale Wahrnehmung. Es ist unwichtig, ob es sich um eine verbale oder non-verbale Wahrnehmung handelt. Wichtig ist, dass sie klar und neutral ist.

 

Arbeiten wir mit dem Computer, nehmen wir es klar wahr, dass wir gerade mit ihm arbeiten. Keine anderen Gedanken sind sonst im Geist. Weder „böse noch gute Gedanken“. Um die Augen zu entlasten, sehen wir ab und zu gedankenlos in die Ferne. Der Geist ist leer für ein paar Minuten, um neue Energie aufzutanken. Genauso machen wir es auch beim Kochen oder beim Abwaschen von Geschirr. Wenn wir diese Tätigkeiten aufmerksam machen, wird unser Geist leichter und klarer. Essen wir mit Aufmerksamkeit, schmeckt uns die Speise besser. Wir kauen sorgfältiger und die Verdauung wird dadurch leichter. Wir leben gesünder. Bevor wir ins Bett gehen, stellen wir klar, dass wir einen Tag sinnvoll gelebt haben. Wir haben niemanden geärgert oder geschadet. Alles, was gemacht werden muss, haben wir getan. Wir verschieben es nicht auf morgen, da wir morgen andere Aufgaben haben. Vielleicht haben wir es vergessen oder wir wachen nicht mehr auf.

 

Unser Lebensmotto ist: immer bereit für den Abgang. Wenn wir gehen, drehen wir uns nicht mehr um. Wie man ein Hemd wechselt, man zieht es aus und ab in den Wäschekorb. Keine Verbundenheit mehr mit was oder mit wem auch immer.

 

Das ist das Geheimnis unseres Lebens: aufmerksam leben mit klarer Wahrnehmung, dass das Leben unecht ist. So wird unser Leben einfacher wie mal das Leben unseres Meisters. Sind wir noch am Leben, arbeiten wir, fallen wir um, lassen wir es los, ohne nachzutrauern. Es ist ja eine Illusion.

 

Es gibt aber eines, was nicht illusorisch ist. Es ist seit der Geburt immer bei uns gewesen. Tag und Nacht. Egal wie wir es behandeln, gerecht oder ungerecht, ignorant oder aufmerksam, bleibt es immer uns treu. Was ist es? Er ist unser Bewusstsein, unser Geist. Daher sollen wir ihn, diesen treuen, anspruchslosen Gefährten, jede freie Minuten Aufmerksamkeit schenken.

Sunyata Buddhistisches Zentrum, den 29.Juni 2021

TN

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