Nicht verhandeln (Nr. 21)
Damals, ungefähr 15 Jahre her, hat der Meister mit seinen Schülern/innen Vietnam besucht. Der Grund des Besuches war, dass er seinen Meister wiedersehen wollte. Wir sind dort in viele Orte hingefahren wie Trúc Lâm Đà Lạt, wo sein Meister lebte. Dann fuhren wir nach Bà Rịa, Vũng Tàu, danach nach Vĩnh Long, um den Meister ĐP zu besuchen. Dann nach Ha Tien zum Badestrand usw…
Es war kurz vor Neujahrfest. In jeder Ecke gab es Menschenversammlungen. Entlang der Straße wurden zahlreiche Obstsorten wie Wassermelonen, Orangen, Mandarinen… angeboten. Einmal hielt unser Wagen an. Wir wollten auch Obst kaufen und fragten nach dem Preis. Als uns der Preis genannt wurde, haben wir gefragt, ob dieser verhandelbar sei. Eine nette Verkäuferin erklärte uns, dass der Preis schon angemessen sei, da in der Tüte 16 anstatt nur 10 Stuck Obst wie üblich waren. Wir haben den verlangten Preis bezahlt. Die Verkäuferin hat sich gefreut und wir waren auch damit zufrieden.
Da alle so sehr mit dem Neujahrfest beschäftigt waren, war kaum jemand am Strand in Ha Tien zu sehen außer einer alten Frau. Sie saß einsam am Strand. Vor ihr lag ein kleiner Korb. Als der Meister bei ihr vorbei kam, blieb er stehen. Er sagte irgendwas zu ihr und sie holte eine kleine Tüte raus, kippte alles, was in dem Korb war, in die Tüte. Von weit her wusste ich, dass der Meister etwas kaufte. Ich ging zu den beiden, um die Ware zu bezahlen, da der Meister kein Geld bei sich hatte. Er hatte mir das ganze Geld anvertraut, ich war quasi seine Bank. Als ich die Tüte sah, wunderte ich mich. Es war nur getrockneten Schrimps drin.
Ich traute mich in dem Moment aber nicht, dem Meister eine Frage zu stellen. Warum er Schrimps gekauft hat. Ich habe ihn nur angesehen und er tat so, als ob er meinen Blick nicht gesehen hätte. Die Freude der alten Frau war aber deutlich auf ihren Gesicht zu sehen. Als wir weiter gingen, habe ich den Meister dann gefragt:
Diese Geschichte wäre wohl in die Vergessenheit geraten, wenn wir uns neulich nicht wieder getroffen hätten. Jemand hat die Geschichte erzählt und sagte, dass unser Meister zwar arm sei, aber trotzdem immer großzügig mit dem Geld umgeht. Alle haben gelacht.
Im Zeitraum vom 2009 bis 2019 sind wir ungefähr 10 Mal mit dem Meister nach Indien gepilgert. Für 1$ Dollar konnte man bis zu 40 Rupees (indische Währung) tauschen. Der Meister gab großzugig Trinkgeld an alle Mitarbeiter/innen des Hotels, obwohl wir überall meistens nur eine Nacht geblieben sind. Nur in Bodhgaya haben wir eine Woche lang übernachtet. Am letzten Tag versammelten sich alle Mitarbeiter/innen des Hotels in Zimmer des Meisters. Alle warteten auf Trinkgeld. Wir alle sahen den Meister an. Keiner traute sich was zu sagen. Er gab ihnen großzügig das Trinkgeld. Darüber waren sie alle sehr glücklich. Unser Meister war auch glücklich. „Unser Meister ist arm aber gibt immer großzügig Geld aus“
Genauso ging er mit den Reiseagenturen um. Was diese verlangten, zahlte er ohne zu zögern. Nach Tourende verteilte er großzügig Geschenke an den Fahrer und den Reisebegleiter. Sogar wir, seine Schüler/innen, haben auch was erhalten. Manchmal müsste jemand von uns ihm sogar Nachschub geben, da sein Geld ausgegangen war. Es war witzig. Er hatte selbst nie Geld und ging mit dem Geld von anderen großzügig um. Aber irgendwie waren alle glücklich damit.
Zurück zu unserem buddhistischen Zentrum. Ungefähr 5 Jahre vorher. Im Jahre 2015 hatten wir 20 jähriges Jubiläum. Zahlreiche Schüler/innen waren dort versammelt. Ich war mit 63 Jahren die jüngste. Irgendeiner hat gescherzt: „Unser Meister hat nur Seniorenschüler“.
Von Anfang an waren wir arm, „ein Salzkörner wurde sogar halbiert“ (vietnamesische Umgangssprache, die bezeichnet, wenn jemand arm ist). Alle von uns kommen hierher, um zu praktizieren und Ordinierte haben ja kein Einkommen. Das buddhistische Zentrum ist ca. 4 Hektar groß. Wir waren alle schon alt. Wir könnten daher nur leichte Arbeit verrichten wie Unkraut jäten, Gemüse- und Blumenbeete gießen. Schwere Arbeit wie Gartenumgestaltung, Bäume fällen oder Dekorsteine verschieben müssten jemand von außen bestellt werden und es kostete Geld. Pro Tag ca. 100$ Dollar. Obwohl es im Vergleich zu anderen Firmen sehr günstig war, da das Kloster aber keine stabile Einnahmequelle hatte, machte es uns Sorgen. Ich wurde dann beauftragt, unsere finanzielle Sorge mit dem Meister zu erörtern:
Und er bestellte die Gartenhelfer weiter, gab ihnen ab und zu sogar noch Trinkgeld dazu.
Einer der Helfer war langjährig bei uns beschäftigt. Er war nett und freundlich. Wir, alle kannten ihn. Seine Haut war ziemlich dunkel. Wahrscheinlich weil er dauernd draußen unter der Sonne gearbeitet hatte. Der war schnell und kräftig. Er kam aus Mexico und arbeitete hier in den USA. Er fuhr hin und wieder zurück in die Heimat um seine Familie zu besuchen. Wenn ihm die Arbeit zu viel wurde, brachte er einen jüngeren Bruder mit. Einmal war er aber alleine da. Im Zentrum war auch keiner zu sehen. Der Meister hatte mir befohlen, ihm den Arbeitslohn auszuhändigen. Es war ein sehr heißer Tag. Der Gärtner stand gebückt neben dem Wasserbrunnen. Als er sah, dass ich zu ihm hinging, stand er aufrecht und lächelte mir zu. Ich lächelte zurück und winkte mit dem Geld in der Luft. Er kam zu mir und nahm das Geld glücklich an. Ich berührte zufällig seine Hände. Diese waren sehr mit Hornhaut gehärtet.
Ich ging zurück ins mein Zimmer und fühlte ich mich irgendwie unwohl. Der Gärtner war in einem jungen Alter, in dem viele noch zur Schule gehen. Diese Hände müssten eigentlich Papiere und Stifte anstatt Stein und Hammer halten. In diesem Alter sitzt man eigentlich in einem Klassenraum, der mit Klimagerät ausgestattet ist anstatt hier draußen unter der hitzigen Sonne zu arbeiten. Er war um die zwanzig Jahre alt und hat seine jungen Jahre geopfert, um Geld zu verdienen. Er musste seine Heimat verlassen, um seine Eltern und seine Geschwister zu versorgen. Seine Hände waren sowie seine Jungend abgehärtet.
Nun habe ich verstanden, warum der Meister ihn dauernd bestellte, obwohl wir nicht zu viel Geld hatten. Seitdem wunderte ich mich nicht mehr, warum er immer großzügig mit ihm war. Nun gehe ich genauso großzügig mit Geld um, wie der Meister damals. Drei Mal habe ich die Pilgerfahrt nach Indien organisiert. Drei Mal habe ich den Preis bezahlt, der in dem Prospekt stand. Ohne zu verhandeln, obwohl dort geschrieben stand, dass man Rabatt bekommen könnte. Alle meine drei Pilgerfahrten endeten reibungslos.
Meine Schlussfolgerung für heute ist das bekannte Motto des Meisters: „nicht verhandeln“. Warum? Wenn jemand uns einen Preis nennt, heißt das, dass es sein Wunschpreis ist. Wir zahlen ihm den Wunschpreis, er wird sicherlich glücklich sein. Stimmt es? Die Buddhisten wollen ja die anderen glücklich machen. Daher lautet mein Motto heute auch „nicht verhandeln“.
Liebe Freunde, der Meister hat uns alle durchschaut aber keiner von uns hat sein Mitgefühl durchschaut.
Sunyata Buddhistisches Zentrum, den 23.07.2021
TN
Übersetzung ins deutsche von Quang Dinh
Link zum Vietnamesischen Artikel:
https://www.tanhkhong.org/a2602/triet-nhu-snhp021-khong-tra-gia