Sunyata Meditation Sangha Stuttgart


Lehre-DE-21

Nichts ist einfacher (Nr. 16)

In vielen Kursen habe ich gesagt: „nichts ist einfacher als Meditation“ Einige haben gelacht, da sie glaubten, dass ich es ironisch meinte. Da ich jedoch nicht genug Zeit gehabt habe, um diesen Satz zu erläutern, versuche ich ihn heute und hier zu erklären, warum nichts einfacher als Meditieren ist.

 

1. Meditation ist die einfachste Übung von den zig Übungen im Buddhismus.

2. Die Erledigung der Aufgaben des alltäglichen Lebens ist sogar schwieriger als die Meditation.

 

Um eine alltägliche Aufgabe zu erledigen, muss man viele Bedingungen erfüllen. Zum Beispiel wenn man Abitur machen will, muss man mindestens 12 Jahre lang die Schulbank drücken (in Deutschland sogar 13 Jahre). Um einen Bachelor zu erwerben, muss man noch 3 weitere Jahre studieren. Ein Doktortitel dauert noch länger. Ein langer Weg nicht wahr? Die Schulbank zu drücken ist alleine nicht genug. Man muss sogar bis Mitternacht die Klausuren vorbereiten. Immer fleißig die Hausaufgaben machen. Das Lernen ist ja die wichtigste Aufgabe der Jugendlichen. Wenn jemand die Prüfung nicht besteht, ist nicht nur er traurig, sondern auch seine Eltern. Eventuell wird er sogar ausgelacht, wenn er in der Prüfung durchfällt. Schließt er die Abschlussprüfung erfolgreich ab, steht die nächste Aufgabe schon da, nämlich einen passenden Job zu finden. Hat er einen Job gefunden, muss er in diesem Job Anforderungen erfüllen. Dann kommt die nächste Aufgabe: wie man sich verhält, um keinen Stress mit den Arbeitskollegen zu haben. Gründet man eine Familie, hat man noch mehr Verpflichtungen mit seiner Partnerschaft, seinen Kindern usw. Jetzt ist man quasi erwachsen. Man hat viele Verpflichtungen für Eltern, Kinder, Partner, Verwandte, Geschwister… Ein Verhaltensfehler ist sicherlich nicht vermeidbar:

 

„Wie soll ich mich verhalten

Bin ich großzügig, bin ich verschwenderisch. Bin ich sparsam, bin ich dann geizig

Bin ich Groß, bin ich ein Riese, bin ich klein, bin ich ein Zwerg

Bin ich dick, bin ich esssüchtig

Bin ich dünn, bin ich magersüchtig“

 

Ein zufriedenes Leben zu haben, ist nicht einfach

 

Sogar um einem Hobby nachzugehen, muss man Zeit und Geld haben. Als Kind muss man lange üben, bis man Fahrrad fahren kann. Um ein Musikinstrument spielen zu können, muss man erst die Noten lesen lernen, dann fleißig üben. Sonst kann man es nicht spielen.

 

Das waren aber nur die normalen Aufgaben in alltäglichen Leben. Nun sprechen wir über die verschiedenen Dharmas im Buddhismus. Wenn man die Mantras zitieren will, muss man sie auswendig lernen. Es gibt Mantras, die ziemlich lange ist. Lernt man sie nicht auswendig, vergisst man sie mittendrin, dann verliert man den Rhythmus. Man kommt nicht mehr mit dem Gesang der Sangha mit. Beim Dharma summen ist ebenso. Man muss eine lange Atmung haben, um es zu summen. Die Lesestimme brummt mit Höhe und Tiefe, wie ein Lied. Und den Gong zu schlagen, die Glocke zu läutern muss auch gelernt werden. Wer einen kurzen Atem hat, gerät sicherlich nach Stundenlangem rezitieren außer Atem. Sich dann hunderte Mal niederwerfen ist auch nicht einfach für Leute in höhem Alter.

 

Und was ist mit Meditation? So einfach wie die vietnamesische Umgangssprache: „einfach wie man Reis isst“

 

Warum ist Meditation einfach? Haben der Buddha und die Patriarchen nicht gesagt: „Alle fühlenden Lebenswesen haben eine Buddha-Natur“?

 

Das heißt, wir haben ja selbst eine Buddha-Natur im Geist. Buddha-Natur ist die erleuchtete Essenz. Also können wir auch erleuchtet werden.

 

Der Patriarch Ma hat gesagt: " Der Geist ist der Buddha". Also liegt diese erleuchtete Essenz in meinem Geist. Nicht in dem Geist eines anderen. Weder in Buddhas Geist noch in seinen Lehrreden.

 

Was ist die Erleuchtung? Es ist das Gewahrsein über alle Phänome. Ein objektives Wissen, ohne Anhaftung, ohne Ich-Ego. Dieses Bewusstsein ist glasklar und ohne Verzerrung.

 

Das wichtigste Merkmal hier ist, dass dieser ungetrübte Geist angeboren ist. Dieses Bewusstsein ist angeboren.

 

Das heißt, jeder hat es. Es ist für alle gleich. Von Geburt bis zum Tod existiert es. Es ist ein treuer Begleiter unseres Lebens.

 

Da das Bewusstsein angeboren ist, brauchen wir nicht zu lernen, um es zu erhalten, wie ein Zertifikat oder ein Abitur.

 

Da es angeboren ist, geht es nicht verloren. Keiner kann es stehlen, obwohl es ein Schatz ist.

 

Wir brauchen nur wissen, wo es sich befindet, dann holen wir es raus und benutzen es.

 

Aber wo befindet es sich?

 

Ah, hier fängt die Verwirrung an. Einige Sutras beschrieben es sehr vage wie: Es ist ein Diamant, der in Haarzöpfen hängt. Es ist ein Diamant, der in einer Kragenecke versteckt wurde oder es ist ein Diamant, der sich in der Mitte eines großen Steines befindet und dieser Stein liegt irgendwo draußen tief in der Erde. Viele glauben daran und fangen an die Erde überall umzugraben, sogar im Nachbargarten, um ihn zu finden, um den Löwen-Ruf zu finden. Einen Löwen-Ruf gibt es nur in der Literatur.

 

Dieses Bewusstsein oder der ruhige Geist hat keinen Körper, keinen Geruch und keine Farbe. Wie können wir es denn finden?

 

Um die Innenseite eines Hauses zu sehen, müssen wir seine Haustüre aufmachen oder wir müssen dicht an das Fenster gehen, um reinschauen zu können. Diese Türen sind unsere sechs Sinnesorgane. Über sie können wir die Welt wahrnehmen. Da ist der allererste Blick, der ein Objekt trifft. Wie sollen wir ihn handhaben?

 

Im alltäglichen Leben sollen wir immer aufmerksam bleiben, um den ersten Sekundenbruchteil, in dem wir ein Objekt wahrnehmen, zu erkennen. Die Sehen- Übung ist die einfachste Übung, da wir ja mit den Augen die Umgebung wahrnehmen. Mit anderen Sinneswahrnehmungen wie Geruch, Geräusche, Geschmack und Erfüllen ist etwas schwieriger. Wenn die Augen ein Objekt treffen, erkennen wir das Objekt sofort. Aber in dem allerersten Moment haben wir noch keinen Namen des Objektes genannt und noch keine Bewertung über das Objekte gemacht. Dieses wortlose Wissen (wortloses Bewusstsein) ist das wahre Wissen. Es ist objektiv, ohne Verzerrung.

 

Folgende Übungen haben wir bereits in dem Grundkurs praktiziert.

 

  • Allererster Blick: Augen zumachen dann öffnen. Im ersten Sekundenbruchteil nimmt man ein Objekt zwar wahr. Man nennt aber weder Namen noch macht man Bewertung über das Objekt. Der Geisteszustand ist noch ruhig und leer.

       

  • Panorama-Blick: Der Blick schweift schnell von Objekt zu Objekt. Der Geist arbeitet noch nicht. Er bleibt ruhig.

       

  • Blick in den Zwischenraum: den leeren Raum vor dem Objekt sehen. Da der Raum leer ist, ist der Geist auch leer.

      

  • Blick in die Ferne: geräumig in die Ferne sehen. Der Geist bleibt ruhig und leer.

 

Alle diese Übungen helfen uns, zunächst den Zustand der Stille und Leere des Geistes zu erkennen. Ein klares Wissen ohne Gemurmel im Kopf. Dieser augenblickliche Blick sieht man mit der Natur des Sehens.

 

Wenn wir diese Übung fleißig wiederholen, wird der Geist sich daran gewöhnen, keine Bewertung mehr über das Objekt zu machen. Wir können diese Technik in jeder Zeit und an jedem Ort ausüben. Wir brauchen die anderen Übungstechniken wie Atmungstechnik oder „KHÔNG NÓI-Technik“ nicht mehr, da sie uns auch zu demselben Ziel hinführen: ein wortloses Bewusstsein oder wortloses Gewahrsein. Sie sind aber schwieriger zu praktizieren.

 

Der schwierige Grat hier ist: Die reine Geistesessenz ist leer, hat kein Geflüster. Sie beinhaltet nichts. Keine Aufmerksamkeit auf die Atmung. Ohne Gemurmel „KHÔNG NÓI“ (nicht sprechen) im Kopf. Das heißt, wenn man die Atmungstechnik oder nicht sprechen-Technik (KHÔNG NÓI) praktiziert, muss man irgendwann diese auch loslassen. Erst, wenn man wirklich keinerlei Aufmerksamkeit auf irgendetwas im Kopf hat, hat man das wortlose Gewahrsein erreicht. Das ist die Soheit, die Patriarch Ma Minh definierte. Das Thema Soheit werden wir beim nächsten Kurs besprechen. Heute brauchen wir nur zu wissen, dass dieser Geisteszustand die Soheit ist. Mehr nicht.

 

Fazit: Unser erster Schritt ist, das Objekt wortlos zu erkennen und solange zu üben bis man es kann. Der letzte Schritt ist, dieses wortlose Wissen bis zum wortlosen Gewahrsein zu verinnerlichen.

 

Meditation heißt nicht unbedingt, stundenlang zu sitzen oder Sutras auswendig zu lernen. Man muss auch kein Mantra rezitieren, keine Niederwerfung machen. Seid ihr nun überzeugt, dass Meditation einfacher als die anderen Übungsmethoden ist?

Sunyata Buddhistisches Zentrum, den 02.07.2021

TN

Übersetzung ins deutsche von Quang Dinh

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