PRAJÑĀ-BOOT (Herzsutra)
Wir alle haben das Wort PRAJÑĀ kennengelernt und verstanden, dass es die Weisheit ist. Daher werde ich hier nicht nochmals darauf eingehen, sondern nur kurz erwähnen, dass das Wort PĀÑÑĀ aus der Pāli-Sprachen in die Sanskrit-Sprache mit PRAJÑĀ übersetzt wurde. Der Originalton wurde in der Übersetzung beibehalten. Dies ist eine transzendente Weisheit, die durch Kreativität, Genauigkeit, Objektivität und Weisheit gekennzeichnet ist, die von den edlen Eigenschaften liebevoller Güte, Mitgefühl, Freude und Gleichmut durchdrungen ist. Patriarchen vergleichen das Leben oft mit einem Meer des Leidens. Wenn wir über unsere kurzsichtige Vision hinausblicken, ist der ständige Kreis von Geburten und Wiedergeburten wie ein riesiger Ozean menschlicher Tränen. Als die Patriarchen dies sahen, ruderten sie wie Bootsfahrer mit ihrem Mitgefühlsboot, um die Menschen über das Meer des Leidens zu tragen:
„Das Mitgefühlsboot ohne Pause rudern, alle Lebewesen ans erwachende Ufer bringen "( Sutra der Reue)
Welche Materialien wurden von Patriarchen verwendet, um ihr Boot zu bauen?
Sie waren die letzten drei Wahrheiten: Leere, Illusion und Soheit. Das Verstehen und Verwirklichen dieser drei Wahrheiten wird als Erreichen des Ufers der Befreiung, und Erleuchtung angesehen.
Das ist aber nur grob gesagt. In Wirklichkeit gibt es unzählige Ebenen der "Einsicht" und der "Inkarnation", also gibt es auch unendlich viele Ebenen der "Flucht vor dem Leiden", der "Erleuchtung" und der "Befreiung". "Leere, Illusion und Soheit" sind nur Worte, die von Menschen benannt wurden, sowie alle anderen Namen. Bestimmte Objekte, die wir mit unseren Augen sehen, mit den Ohren hören, mit der Nase riechen, mit der Zunge schmecken, mit dem Körper berühren können, haben keinen Namen, keine Form, keine Unterscheidung. Sie bewerten auch nicht, ob sie gut oder schlecht sind.
Wir Menschen haben die Sprache geschaffen und Dinge etikettiert. Dies ist nur eine Sichtweise der Phänomene über Sinnesorgane. Dann wurden wir in diese Wahrnehmung verwickelt und begannen dran zu glauben, dass all diese Dinge real sind, und begannen miteinander zu konkurrieren, um sie zu ergreifen und zu behalten. So entsteht das Meer des Leidens, das Meer der Unzufriedenheit.
Buddha lehrte, dass alles Leben das Ergebnis unzähliger kausaler Zustände ist, die sich aufgrund anderer Kausalitäten ständig ändern. Das Wesen aller Dinge ist leer, instabil, ohne harten Kern. Dinge erscheinen vor unseren Sinnen, genau wie Dinge in einem Zaubertrick, in einem Traum. Die weltlichen Phänomene sind völlig unwirklich. In den Sutren werden sie (die Phänomene) mit einem Schildkrötenfell, Kaninchenhörnern, dem Kind der Frauenstatue (wie kann ein Statue ein Kind gebären) verglichen.
Daher verwendete Buddha die Begriffe: Leere (SUÑÑATĀ); Illusion (MĀYĀ) und Soheit (TATHATĀ), um die Ansicht der völligen Stille, in der es nichts gibt, zu benennen. Ohne diskursives Denken, ohne Worte. Die Sutren verwendeten den Begriff "Atakkāvacara", was jenseits des logischen Denkens oder jenseits der Worte, bedeutet.
Es ist also nicht überraschend, wenn die Patriarchen ein „bodenloses Boot“ benutzten, um Menschen über das Meer zu transportieren. Es spielte auf das "Prajñā-Boot" an, das nichts Wesentliches enthielt.
Nun versteht man das Herz-Sutra (Prajñā Paramita Sutra) besser:
Wenn wir diesen Praxislevel erreichen, beginnen wir, Weisheit zu haben. Aber warum sagt das Sutra "keine Einsicht, keine Erreichung"? Dies ist so, weil man, wenn man sieht, dass man etwas erreicht, immer noch an einem egoistischen Erfolg festhält. Dieses subtile Selbstgefühl muss ebenfalls losgelassen werden. Aber wie?
Man lässt es, indem man alle verbalen Gespräche im Geist durch Samadi-Übungen zum Schweigen bringen. Man lässt es außerdem los in dem man sich während der Übungen, nicht an den Gedanken klammert, dass man klug ist und man schon etwas erreicht hat.
Und schließlich: "Wenn man jede perverse Illusion loslässt, erreicht man Nirwana".
Wenn der Geist keine falschen Illusionen mehr hervorruft, ist es Nirwana.
Es gibt zwei Methoden, um dies zu erreichen:
Also sind die drei Themen Leere, Illusion und Soheit die drei Boote, die uns auf die gleiche Weise über das Meer bringen. Egal welches Boot man nimmt. Alle drei haben die gleichen Merkmale, nämlich dass sie keinen Boden haben und nichts vom Leben enthalten können. Es gibt keinen Reichtum, keinen Ruhm, keine Anhaftung, keinen Hass und keinen weltlichen Geist. Stattdessen kann nur ein Geist, der frei von Wünschen und unheilsamen Zuständen ist, an Bord des Prajñā-Bootes gehen.
Unser Gründungsmeister hat diesen Punkt sehr gründlich gelehrt: "Es gibt Dharma, aber kein Dharma." Wir brauchen das Dharma als Ziel unserer Praxis. Wie das Licht eines Leuchtturms, das durch die Dunkelheit scheint, so hält Dharma unseren Geist davon ab, in die Irre zu gehen. Aber "Leere, Illusion und Soheit" haben keinen Inhalt. Wir können keine Worte verwenden um sie zu beschreiben und wenn wir mit ihnen verschmelzen sind, gibt es kein Thema, keine Übungsmethode mehr in diesem Moment. Unser Geist ist also leer, rein, absolut still.
Wenn wir am anderen Ufer ankommen, müssen wir das Prajñā-Boot loslassen und unser Haus betreten – „unser geliebtes altes Hause“. Unser Meister lehrte weiter: Sobald wir unser Haus betreten, sollen wir Fenster und Türen weit aufmachen und nach draußen gehen, um zu sehen, ob es noch Menschen gibt, die Schwierigkeiten mit dem Prajñā-Boot haben. Und wir rudern unser Boot zurück, um diesen Menschen zu helfen, das Meer des Leidens zu überqueren.
Sunyata Buddhistische Zentrum, den 29-12-20
TN