Sunyata Meditation Sangha Stuttgart


Lehre-DE-08

Das Ende des Dharmas ?

Gestern habe ich zufällig im Internet viele Bilder über die Covid-19-Pandemie in Indien gesehen. Es ist erschreckend. Massive Todesfälle mit unzureichenden Krematorien. Viele Menschen müssen ihre Lieben direkt auf freien Plätzen in der Hauptstadt Neu-Delhi mit normalem Feuerholz verbrennen. Eine Leiche lag in einem kleinen Haufen Brennholz. Die Lebenden und die Toten wohnen nebeneinander. Müll ist überall. Niemand räumt ihn auf. Sterben durch die Krankheit. Sterben wegen Mangel an Sauerstoffflaschen oder wegen Mangel an Behandlungsbetten im Krankenhaus.

 

Ich erinnere mich an die Jahre 2000, 2004. Als wir mit dem Meister auf Pilgerreisen nach Indien flogen. Das Land war sehr arm, insbesondere das Leben auf dem Land. Nicht einmal minimaler Lebenskomfort. Kinder liefen barfuß und nackt auf der Straße herum. Überall war schmutziges Wasser zu sehen. Es gab keine eigenen Toiletten. Die Häuser glichen Stoff-Hütten. Überall war Müll zu sehen. Wie können sich dort lebende Menschen eine Schutzmaske leisten, wenn sie so arm sind? Nicht nur Covid-19 sondern alle Infektionskrankheiten können sie infizieren. So tragisch, ein armes Schicksal.

 

Als ich das gesehen habe, habe ich mir gewünscht, im nächsten Leben in Indien wiedergeboren zu werden und Macht zu haben, um den allgemeinen Lebensstandard der Menschen dort zu verbessern. Es dürfte kein Müll mehr auf der Straße zu sehen sein. Jede Familie würde ein kleines Haus besitzen. Kinder würden Kleidung am Leib tragen und die Bevölkerung würde minimale Hygienekenntnisse haben.

 

Ich habe den Meister damals gefragt: "Warum ist Buddhas Heimatstadt so arm? Buddha hatte hier vor zweitausend Jahren die Weisheit gelehrt und die Menschen haben heute ein dreckiges und elendes Leben? Sie sind viel ärmer als die Dorfbewohner bei uns in Vietnam. Sogar die Früchte sind unterentwickelt. Sie sind klein und blass, wie die am Straßenrand sitzenden Kinder und alten Menschen. Ich habe nichts anders gesehen als ihre offenen Augen. Als unser Auto ihnen vorbei fuhr. Die Menschen waren abgemagert. Ihre Gliedmaßen waren dünn und lang.

 

Der Meister zögerte ein wenig, dann flüsterte er mir, dass dies vielleicht ein kollektives Karma sein könnte, da der Buddhismus damals in diesem Ort, um das 11. Jahrhundert herum, zerstört wurde. Bis heute konnte sich der Buddhismus in der Heimat des Buddhas immer noch nicht erholen.

 

Gestern wachte ich mitten in der Nacht auf und erinnerte mich an die Bilder der provisorischen Bestattungsstelle. Sie waren dicht beieinander. Die Lebenden und die Toten nebeneinander, das Feuer flackert. Die Überlebenden verbrannten ihre Lieben mit eigenen Mitteln. Keiner half dem anderen. Leichen, die darauf warteten verbrannt zu werden, lagen still in einem Stoff oder Nylonsack mit Seilen umwickelt. Dennoch kann man erkennen, wo der Kopf ist und wo die Beine sind. So ist ein Mensch? Nur so? Als er noch lebte, hat er gespielt, gelacht und geweint. Er hatte auch Familie, Frau und Mann, Eltern, Geschwister, Freunde und nun lagen alle da, gleichwertig. Auch wenn er noch geliebt wurde, wurde seine Leiche verbrannt. Funkelndes Feuer, Tag und Nacht. Es nebelte und roch nach verbranntem Fleisch. Dort saß jemand, versteckte sein Gesicht in den Händen. Konnte er noch weinen oder waren seine Tränen bereits vertrocknet?

 

So ist das Leben. Ob man eine Feuerbestattung in einem modernen Krematorium in Cali mit einer ordentlichen Zeremonie, mit Trauerkranz, Trauerrede und Trauergästen oder so einsam ohne Trauerfeier in einer verschmutzten Stadt am Straßenrand hat. Angehörige zündeten schnell das Feuer zum Abschied an und kehrten zurück, um sich nicht vom Corona-Virus infizieren zu lassen. Was übrig bleibt, ist die Asche. Ein Mensch besteht nur aus Asche.

Ich erinnere mich an den Lehrgang über buddhistische Psychologie. Unser Meister hielt einen Vortrag über die Krisenzeit des Buddhismus. Kukkulika, eine Gruppe von Mahasanghikas Richtung, sagte:

 

"Alle wohltuenden Dharma sind Asche."

 

In seinen Lebzeiten hat Buddha uns eine Praxisübung gegeben. Es ist die Beobachtung der Leichname auf einem Friedhof. Am Anfang haben einige Schüler Buddhas den Selbstmord begangen als sie sahen, wie der Verwesungsprozess der Leichname ablief und wie dieser von Tieren gefressen wurde. Als Buddha diese Nachricht hörte, korrigierte er deren Haltung. Die Beobachtung der verwesenden Leiche führt nur zu dem Zweck, eine Erfahrung über das Leben zu haben. Wie vergänglich es ist. Wir sollen uns daher nicht an den Materialien des täglichen Lebens festklammern. Dies ist der beste Weg die Anhaftung der Existenz zu beenden. Die Bindung an den eigenen physischen Körper und den der anderen ist die Quelle des Leidens. Das ist der entscheidende Faktor, der zu allen menschlichen Leiden hinführt. Dieser Faktor ist extrem gefährlich, da die Menschen sich deswegen gegenseitig bekämpfen oder hassen oder drunter leiden. Trotzdem suchen viele Menschen nach ihm da sie dies als Glück, Vergnügung und Honig des Lebens betrachten.

 

Wahrscheinlich bevorzugte Buddha deswegen den Weg zur Ordination. Wer ein reines Leben haben will, was in der Sutra als heiliges Leben beschrieben wird, muss sein Elternhaus hinter sich lassen. Diese Scheidung ist der realistischste Weg, um den Körper und Geist rein zu halten.

 

In den Sutras gab es eine Geschichte die beschrieb, wie Buddha einem jungen Mönch beibrachte das Verlangen abzuschneiden. Der Jivāka, ein Arzt von König Ajatashatru, gleichzeitig auch der Arzt von Buddha und der Sangha, hatte eine sehr attraktive Schwester Sirimā, die gut singen und tanzen konnte und war sehr bekannt in der ganzen Königsstadt. Wer zu ihr kommen wollte musste unzählige Goldmünzen dafür ausgeben. Als sie eines Tages zur Besinnung kam, bat sie jeden Tag Opfergaben für jeweils 8 Mönche. Die Sangha ging abwechselnd zu ihrem Haus, um Opfergaben zu erhalten. Eines Tages nach dem Mittagessen, kehrte ein Mönch ins Kloster zurück und erzählte wie schön die Herrin war. Als ein junger Mönch es hörte, sehnte er sich nach einem Treffen mit ihr. An dem Tag als er dran war, ihr zu Haus zu besuchen, war sie krank. Sie konnte nicht mehr richtig gehen. Ihr Dienstmädchen musste sie beim Gehen unterstützen. Als der junge Mönch sie aber sah, verliebte er sich sofort in sie. Zurück ins Kloster hatte er nur noch ihr Bild im Kopf. Er konnte nicht mehr praktizieren. Ein paar Tage später starb sie. Buddha hatte den König gebeten, ihren Leichnam nicht sofort zu beerdigen sondern in die Stadt zu bringen, damit jeder sie ein letztes Mal sehen konnte. Buddha kam auch mit seiner Sangha in die Stadt. Der junge Mönch war auch dort. Der König bot an:

 

-Hier ist die Sirimā, wer ihren Leichnam haben will, muss nur 1000 Goldstücke zahlen.

 

Jedoch wollte ihn keiner haben. Der Preis ging immer tiefer runter bis zu einem Goldstück. Trotzdem meldete sich keiner. Nun befahl der König, ihre Leiche zur Feuerbestattung zu geben. (Kleine Sutras, Sirimās Schloss)

 

Seit mehr als einem Jahr gab es überall auf der Welt Katastrophen. Naturkatastrophen, sowie Katastrophen, die von Menschen verursacht wurden wie Terrorismus, Krieg. Sprengkörper, fliegende Kugeln, Brände, Überschwemmungen, Gewitter, Tsunamis u.s.w…

 

Die Praktizierenden, die die Weisheit erlangt haben, sind wacher und üben immer fleißiger. Menschen, die noch nicht praktizieren, leiden weiter unter den Gefahren.

 

Manche sagen, dies sei das Ende des Dharmas. Aber der Dharma ist doch überall zu sehen. Die Drei Juwelen sind noch da. Es ist nicht das Ende des Dharmas. Das Ende des Dharmas gilt nur für diejenigen, die die Drei Juwelen des Buddhas immer noch nicht verstanden haben wollen.

Sunyata Buddhistisches Zentrum, den 11- 06- 2021

TN

Übersetzung ins deutsche von Quang Dinh

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